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GESCHICHTEN, DIE DAS LEBEN SCHREIBT

  • habild
  • 2. Jan. 2023
  • 8 Min. Lesezeit

Aktualisiert: vor 1 Tag


HERBST 25


Es geht weiter!

Ich habe ein Künstler-in-residence-Stipendium erhalten! Bei der Stiftung "Bei Herrmann zwischen den Deichen". Im Sommer 2027 darf ich mich in den Sommerferien ganz dem widmen, was mich hier auf dieser Homepage nun schon seit Längerem beschäftigt.





SOMMER 25



Mai 2025

Seerosenwurzel, schüchtern

 

SEEROSENRHIZOM
SEEROSENRHIZOM

Rhizom, Wurzelwerk und Energiespeicher, essentiell für Wachstum von Blüte und Schwimmblättern. Unsichtbare knorrige Seele der Seerose,

Hier leben die Larven des Seerosenzünslers, dann Unterwasserraupen. Und die rechtswindenden Spitzschlammschnecken, die sich langsam durchs Rhizom fressen, wenn sie nicht ihren eigenen Laich fressen.

Aber auch kann das Rhizom Delikatesse für den Menschen sein: gleich den süßen Wurzeln des Lotus.




Vorhaben

Ich möchte eine besondere Wanderung starten: die zu den Insektenbildern meiner Großtante Lisbeth Hoffmann-Lacher (1907-1997), die als Künstlerin in München gewirkt hat (vgl. z. B. http://www.nennslinger-jura.de/lisbeth%20lacher.htm). Denn die Insektenbildtradition ist bei uns eine Familientradition Ich würde gerne  zeitgenössische Pendants erschaffen, und ich würde das von ihr mir hinterlassene Material benutzen, daran anknüpfen und mich mit der Art und Weise, wie man zu Beginn des 20. Jahrhunderts Zyklen von Insekten gemalt und gedruckt hat, auseinandersetzen. Dabei würde auch eine Brücke von Westdeutschland, denn ihre Bilder sind allesamt in Bayern entstanden, in den Osten Deutschlands geschlagen werden. Sie hat Insekten vor allem in ihrer globalen Schönheit und ihrer expressionistischen Qualität wahrgenommen (s. unten Bild „Insekt, 1984“) oder in ihrem allgemeinen, alle Insekten einigenden Verhalten (s. unten Bild „Marmeladentopf, Jahreszahl unbekannt“):



INSEKTEN
INSEKTEN


MARMELADENTOPF
MARMELADENTOPF


FRÜHLING 25



Erleuchtungen



SUN I
SUN I


SUN II
SUN II


WITHOUT SUN
WITHOUT SUN






HERBST/WINTER 25



Breathe with me.

Und mit Jeppe Hein.

Immer beim Ausatmen einen blauen Strich setzen.



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Fotowettbewerb Irland

5 Mitstreiter: mein Mann, unsere zwei Jungs, unsere Tochter. Von jedem das beste Foto.

Jury: wir alle.


Aussicht
Aussicht
Grünkohlwald
Grünkohlwald
Apokalypse now
Apokalypse now
Ohrringe aufgehübscht
Ohrringe aufgehübscht
Summerset-Garden
Summerset-Garden



Londoner Setzkasten: Inventur


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eine Batterie

Steine

gekapptes Rohr

Muscheln

ein erbrochenes Schloss

Tierknochen

ein alter Wecker

Zapfen

und noch viele leere Fächer ungelebtes Leben...








SOMMER 24



Das Ende der Spannung


Fussballübertragung. EM-Sommer in Deutschland. Aber man weiß schon vorher, am Fernseher sitzend: Dies wird kein Tor der Deutschen werden. Denn dann wären schon die ersten Raketen in die Luft geschossen worden, Magenta--TV-Raketen, allen anderen ein paar Sekunden voraus. Rückschrittig kommt man sich vor, als nicht Magenta-TV-Schauender.

Gleichzeitig lese ich das Vorgehen derer, die immer an der vordersten Front kämpfen wollen, als eine Einladung zum gelassenen Fussballschauen.




Always needs coffee


Im Zug von Prag nach Breclav ist mir eine Frau besonders aufgefallen. Ich weiß nicht, was mir am besten an ihr gefalen hat - sie trug ein T-Shirt mit der Aufschrift "Always needs coffee" und ich fragte mich, was sie wohl alles zu verstecken hatte, wenn man so etwas Belangloses von sich preisgab. Und dazu trug sie eine gelbe Jacke und ihre dunklen Locken lose und etwas schlampig nach hinten gebunden. Sie sah aus, als ob sie eine angemessene Zeit auf ihr Äußeres verwende, aber nicht zu viel. Und das auf eine spielerische Art - obwohl sie bestimmt schon um die 40 war - denn sie zeigte eine gewisse Reife, eine Ernsthaftigkeit und Zielstrebigkeit in ihrem Blick- ihre Fingernägel waren alle in unterschiedlichen Blautönen lackiert.

Das, was mir am meisten ins Auge stoch, war aber das etwas vergilbte zerlesene Taschenbuch, das vor ihr lag und in das sie vertieft war: Es warf mich zurück auf mein Lebensgefühl, eines, welches ich immer wieder aus den Augen verliere, ein studentisches, unabhängig von großen materiellen Werten, dafür: die Klugheit im Blick tragendes und gewillt seiend, sie auf das Leben anzuwenden. Gegen die "transzendente Obdachlosigkeit der Bürgerlichkeit" (Georg Lukas). Und mit Kaffee gelingt das manchmal eben noch besser.




Kuckeläres


Jetzt wurde mir doch noch eine interessante Geschichte im Wartezimmer geboten, nach fast drei Stunden des Wartens: Die Empfehlung eines älteren Ehepaars an eine Dame, die auch da saß, sie solle doch zu einem Energie-Heiler gehen, denn der würde Geräte benutzen, die Nikola Tezla entworfen hätte. Sie sprachen diesen Namen aus, als sei das die Garantie dafür, dass die Geräte helfen würden. Die ehrliche Dame fragte unverblühmt zurück: "Ist das nicht Kokolores?" Was für ein schönes Wort! Schäne Worter muss man an der richtigen Stelle benutzen, und das tat sie hier. Denn es kommt von "Kuckeläres", früher "Kikeriki", und meint einen Hahn, der sich aufplustert und vermeintlich wichtige Dinge von sich gibt.




WINTER/FRÜHLING 23/24



Der 8. März


"Jeder Tag ein achter März. Brecht dem Patriarchat das Herz."

Ich denke an "Brecht", als ich das Plakat sehe. Brecht hätte bestimmt gelächelt angesichts eines solchen Slogans, sich aber um den Inhalt nicht weiter geschert.

Manch Patriarchen ist das Herz gebrochen worden. Manche haben vielleicht keines mehr.

Und manche derer, die heute noch leben, werden vielleicht als KI-Version ihrer selbst in die Unsterblichkeit eingehen.

Und die Matriarchen ? Müssten erstmal gegendert werden, bevor sie regieren dürfen.

Auch wenn die Geschichte des Frauentages lang und holperig war, ursprünglich einfach dazu diente, das Frauenwahlrecht einzuführen, dann aber zunehmend instrumentalisiert oder gleich abgeschafft wurde - so instrumentalisiert heute manche Frau diesen Tag, um ihre persönlichen Themen aus Tapet zu bringen. Z. B. lese ich, dass in Gaza die Binden aus Zeltplanen gefertigt werden müssen.

Dabei gäbe es doch genug Forderungen, die alle Frauen angingen.




Die Aufgabe:


Die alte Frau redet mit dem Stern, der vor ihrem Haus hängt. Der Stern hat sie Jahrzehnte lang durch die Weihnachtszeit begleitet, er ist ihr heilig. Er leuchtet heimelig rot. Er ist schön.

Der Stern soll sich des Nachts das anhören, was sie sonst fast niemandem gesteht: Dass sie noch durchhalten möchte. Dass sie noch nicht sterben möchte. Dass sie noch ein wenig Kraft braucht für die nächsten Jahre. Denn sie hat noch eine Aufgabe vor sich, sie möchte noch etwas tragen hinaus zu den Menschen: Sie möchte ihren Enkelkindern sagen, dass es da etwas Göttliches gibt in dieser Welt.

Der Stern sagt nichts dazu. Er hört sich all dies geduldig an.

Leise fragt er sich aber, ob dies Wissen nicht bei jemand Anderem besser aufgehoben wäre.




Auf dem jüdischen Friedhof Weissensee:


Der Davidstern: das eine Dreieck auf der Spitze, zur Erde weisend, das andere mit der Spitze zum Himmel, zu Gott weisend. All die Menschen, die hier liegen, begraben unter und in der Berliner Erde, im größten jüdischen Friedhof Europas, haben sie geglaubt an diese Symbolik?

 

Es scheint keinen geeigneteren Tag zu geben als einen tristen Januartag, um diesen Ort aufzusuchen. Der Regen tropft in alle Ritzen der vor sich hin verwitternden Steine, der Mazeva. Der Efeu tut sein Übriges und sprengt den Stein von innen auf.

Die kleinen Kiesel, die auf den Gräbern liegen, dienten einst dem Schutz der Toten, damit diese nicht von wilden Tieren aufgefressen werden. Jetzt liegen sie da und warten. Erinnern an diesen vormosaischen Steinkult.

 

„Seine Seele möge eingehen in den Bund des Lebens, in den Garten Eden“, steht auf vielen Gräbern, auf Hebräisch „tehi nafscho zrura bizror ha-chajjim“.

Man findet viel blaues Glas, verzierte Säulen, Rosetten, Blumenornamente, Farnwedel und, auffallend schön: Mohnkapseln als Symbol des absterbenden Lebens.


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Besonders berührend sind zwei Grabsteine von zwei Eheleuten, die sich im Laufe der Zeit – durch die Absenkung des Erdreichs – zueinander geneigt haben. Wobei deutlich zu beobachten ist, dass sich Isaak Rosenthal mehr zu Sara Rosenthal, geb. Rosenblüth, neigt, als umgekehrt.

Haben diese beiden wohl eine ebensolch innige Ehe geführt?


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Das Angebot:



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HERBST 23



Der Ampelmann


Ich stand mit meinem Fahrrad an der Ampel. Ich war losgefahren, um Geschichten zu sammeln. Plötzlich hörte ich gleich links neben mir eine kurze Melodie aus runden vollen Tönen. "Was für ein außergewöhnlich schöner und wohlklingender Handyton!", dachte ich. Ich wendete meinen Kopf, um den Besitzer des Handys zu orten. Da stand ein junger Mann neben mir, sein Fahrrad zwischen den Beinen, eine Gitarre umgebunden, auf der er kurz spielte, um sich die Ampelwartezeit zu vertreiben.

Was für eine kleine helle Freude! Ein kleines Life-Konzert da, wo ich es am wenigsten erwartet hätte.







Eine Schiffladung Hoffnung


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D a s Schiff der Stunde. Es sollten nur noch Schiffe mit diesem Namen zugelassen werden.





Gotische Variationen


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Ein Schatten in unserem Badezimmer.

Ein Herbstschatten.

Ein Schatten wie ein gotisches Kirchenfenster.

Ein Schatten wie von einer Buchenallee im Nebelwald.





SOMMER 23




Mein Schuh und meine Mantelkante vor dem Hermann-Hesse-Museum, Montagnola, Tessin
Mein Schuh und meine Mantelkante vor dem Hermann-Hesse-Museum, Montagnola, Tessin




Jeder Film…


jede schöne Erfahrung...

bedarf auch

der materiellen Erinnerung

und sei es nur eines Bildes

oder eines Armbands

oder eines Wortes

oder einer Welle,

die ich mitnehme und einpacke

und voll Schwung zu Hause auspacke.





Am Marienplatz in die U-Bahn steigen


Und da kämpft sich ein Mann durch die Menge,

der murmelt unentwegt:

„Ein Pädophilenverein das, die katholische Kirche,

wer da noch drin ist,

der gehört geköpft“ -

und das im Herzen Münchens.






Salome


Dein Name heißt „Frieden halten“.

Du hast gegen deinen Namen gehandelt,

indem du den Wunsch deiner Mutter aussprachst,

das Haupt Johannes des Täufers zu wollen.

Dabei war Johannes nur gegen die Ehe deiner Mutter mit Herodes gewesen,

weil deine Mutter dessen Schwägerin war,

und weil Herodes aus Liebe zu deiner Mutter auch seine erste Frau verstieß.


Wo hast du in der judäischen Wüste so gut tanzen gelernt,

dass du alle verzaubern konntest

und jeden Wunsch der Welt freihattest?

Und war dir die unbedingte Treue zu deiner Mutter selbstverständlich?

Hast du deine Tat bereut?

Und warum hast du selbst den Silberteller

mit dem Haupt serviert

und es nicht deine Mutter verrichten lassen?

Frieden hast du nicht geschaffen.

Ja, der Krieg begann danach,

den der König Herodes gegen Aretas, deinen Großvater, führen musste.

Und viele Soldaten versagten ihm den Dienst,

weil sie Johannes dem Täufer die Treue hielten.


Du standst, ein Scheidungskind,

zwischen Mutter und Vater, und wusstest nicht mehr wohin.

Wahrscheinlich hast du nie wieder

So schön getanzt wie an jenem Abend.




August


Und vertrocknete Hagebutten

und Sonnenblumen vereinzelt

und Staudenwicken

und ich webe daraus einen Blumenstrauß in meinem Kopf.

Und dann kommen die Kletten

und lassen mich nicht mehr los

und ich versuche trotzdem

mich zusammenzuhalten.

Und schließlich: ein rettender Gedanke.





2022


Es wird Zeit, dass es Zeit wird


Ich habe an der Tankstelle Blätter vom Auto gekehrt,

sie fielen auf Beton,

zwischen Ölspuren und Reifenspuren (mit Mikroplastik).

Der Ab-fall,

den ich damit produzierte,

war ein Delikt

für die Tankstellenverkäuferin, die mich anfuhr,

was ich da angestellt hätte.


Ein Eichblatt ist auf mein Haar gefallen,

als ich das schreibe.

lch lasse es dort.





Das Stolpern der Diva auf der Berlinale


Die perfekte Inszenierung, der Raubkatzenblick der blonden Göttin,

die Zuschauer halten den Atem an,

sie betritt den Kinosaal,

dann- stolpert sie.


Ein Knistern.


Es folgt ihr perfektes Aufrichten.

Doch am Zucken des linken Mundwinkels sieht man

ein kleines inneres Zusammensinken.





Die Karyatiden


Säule du,

Lastenträgerin.

Atlas muss mehr tragen,

du bist der größere Schmuck.

Einst tanzten sie in Karytai für Artemis.

Fruchtbarkeits- und Mondestänze.

Nun stehen sie für immer still.


Wenn keine Karyatide dein Haus mehr schmückt

und es auch sonst an Verspieltem mangelt-

fehlt es dann auch

den Erbauern wie den Bewohnern

an Phantasie,

die Brücken bis ins Altertum schlägt?





Auf der Post


Ein Mann tritt aus der Post und tippt auf seinem Handy.

Dabei murmelt er immer wieder

lächelnd und langsam

laut und deutlich

das Wort

„Wertschätzung“.





Dame Aiuola


Meine Schwester und ich spielten oft „Dame Aiuola“ -

weil uns das Wort so gefiel.

Das Wort blieb viele Jahre bei uns.

Und irgendwann fand ich es wieder in einem Buch, in „Die unendliche Geschichte“.

Und ich hatte immer gedacht,

wir haben uns den Namen nur ausgedacht.

Ich las das Kapitel dazu

und konnte mich nicht mehr erinnern an die Dame,

die wie eine Pflanze vegetiert und Früchte hervorbringt und im Änderhaus lebt.

Ein Haus, das sich ständig ändert, aber auch die Menschen, die in ihm leben.

Und hier findet die Hauptperson ihre Bestimmung,

fest und tief lieben zu können.


Ich habe dies Wort wie ein Plagiat

mit mir herumgetragen und wusste nicht,

dass es ein solches war.






An der Ostsee


Wir essen Aal, Heilbutt und Bismarck.

Die Lütte bekommt eine lütte Wurst.

Stockrosen und Hühner vor dem Haus,

hinterm Haus scheint der Frieden.

Wir beten zu den Hühnergöttern.

Usedom, die Marienkirche zu Greifswald, Sankt Nicolai in Stralsund.

Milena sieht Eldena.

Der Fischer und seine Frau winken zum Abschied.



"Geschichten, die das Leben schreibt": Davon gibt es so viele. Geschichten, die nur herausgezogen werden wie ein kleiner Fisch. Denen man zuhören und die man verstehen muss. Die sich aufdrängen in Worten und Bildern. Und die bleiben, um gelesen zu werden.

 
 
 

1 Kommentar


Faltenwerfer
vor 2 Tagen

so berührend.

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