Lyrikblog Constanze Habild
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Kindergeschichten von Constanze Habild

AMALIE PUSTEKUCHEN
1. Kapitel: Von Feigenbäumen und Pustekuchen
Es lebte ein uralter Feigenbaum auf einem Hang oberhalb des tiefblauen Sees, weit weit im Süden.
Der Feigenbaum war so alt, dass er schon viel von der Welt gesehen hatte: Wolken und Himmel und Winde. Eidechsen, die auf den Steinmäuerchen neben ihm herum liefen, Schmetterlinge, die seine Zweige kitzelten, Wespen, die sich in seinen ersten Feigen im Frühling einnisteten, und manchmal, selten, auch Menschen: vor allem solche, die sich verlaufen hatten, und nicht mehr wussten, ob sie auf dem richtigen Weg waren. Und, wenn seine Feigen reif waren, dann kamen auch die Kinder. Und wenn er sich ganz weit reckte, konnte er die Schwanenfamilie sehen, abends auf dem Goldgeglitzer des Sees, und morgens, wie sie in Reih und Glied hintereinander ihren ersten Frühstücksausflug über den See nahmen.
Seit dem letzten Sommer lebte unter ihm, in einer alten Holzkiste, die Gans Amalie. Amalie Pustekuchen nannte er sie. Er nannte sie so, weil ein kleines Mädchen sie einmal mit Pustekuchen gefüttert hatte. Zumindest hatte das Mädchen der Gans Amalie etwas zu essen hingehalten, und immer, wenn Amalie zuschnappen wollte, „Pustekuchen“ gesagt und es weggezogen. Es war ein kleines quirliges Mädchen gewesen, mit dünnen blonden Haaren, schlaksigen Armen und Beinen und einem Näschen so fein und zart wie eine kleine Himbeere. Der Feigenbaum dachte damals viel über Pustekuchen nach: Was waren bitteschön Pustekuchen? Musste der Bäcker gar in den Teig hineinpusten und plusterte er sich dann auf? Wurde so ein Pustekuchen wohl mit Erdbeeren oder gar Schokolade gemacht? Oder bestand ein Pustekuchen gar nur aus Luft?
Amalie Pustekuchen war jedenfalls eine schöne junge Gans, die sehr viel wusste, und hatte beim Feigenbaum Unterschlupf gefunden, nachdem sie von ihrem Bauern weggelaufen war, der eine andere Gans bevorzugt hatte. Diese sei allerdings, so Amalie, eine „dumme Henne“ gewesen. Denn Amalie konnte im Tod nicht ab, dass der Bauer diese dumme Gans bevorzugt behandelte: Schon wenn Amalie morgens aufwachte, konnte sie aus ihrem linken Augenwinkel heraus erkennen, dass die andere schon frisches Wasser und Körner bekommen hatte und sie nicht. Und die andere durfte in frischem sauberen Wasser baden und auf die schöne Streuobstwiese gehen, und Amalie nicht. Dabei, so Amalie, konnte die andere noch nicht mal 1 und 1 zusammenzählen und kümmerte sich ausschließlich um ihre Schönheitspflege: Von früh bis spät saß sie faul unter ihrem Apfelbaum und putzte ihre Federn. Und ihre größte Sorge war es, dass ihr Gefieder nicht richtig glänzte.
Eines Tages war Amalie erzürnt davongelaufen.
Sie war gelaufen, gelaufen und gelaufen, bis sie ganz außer Puste war. Als sie wirklich gar nicht mehr konnte, hatte sie sich hingesetzt. Und da hatte sie die Augen zugemacht, und plötzlich war ihr so ein wunderbarer Duft nach Zimt und frischer Luft und Wasser in den Schnabel gestiegen. Und sie hatte die Augen wieder aufgemacht und beschlossen, hier zu bleiben: Unter dem großen alten knorrigen Feigenbaum, unter dem sie gerade saß.
„Du willst hier bleiben?“ fragte eine knorrige tiefe Stimme. Es war der Baum, der da sprach. „Ja“, sagte Amalie, „nur hier und nirgends sonst und für immer und ewig.“ - „Gut“, erwiderte der Feigenbaum.
Sie liebte die reifen Feigen ihres Freundes, des Feigenbaums, die im Sommer heranwuchsen– grüne und blaue trug er. Sie schmeckten beide köstlich, die grünen und die blauen, und wenn die Feigen dann reif waren im Spätsommer, brach die herrlichste Zeit des Jahres heran. Die Kinder liefen zu ihm und stopften sich die klebrig knirschenden Früchte in ihre Münder und konnten nicht genug bekommen.
Amalie hatte dann im letzten Herbst einen Vorrat für den Winter angelegt, trocknete die Feigen und fädelte sie auf Schnüre. Wenn es sonst nicht mehr so viel zu essen gab, dann band sie sich immer eine Feigenkette um den Hals, um davon essen zu können, wann immer sie der Hunger überfiel.
Der Winter, der jetzt gerade gekommen war, schien besonders hart, lang und eisig. Sogar Schnee hatte es schon gegeben, weiß wie Gänsefedern war er vom Himmel gefallen. Amalie gingen die Vorräte langsam aus, sie wurde dünner und auch etwas verzweifelt, und der Feigenbaum fühlte sich alt und knorrig und es fehlte ihm die warme Sonne, die er so verehrte und so liebte. Die Eidechsen liefen nicht herum, kein Wespensummen, keine Schwanenfamilie...und sowieso keine Menschen. Nur ab und zu hörte er von Ferne einen Hund bellen. Er hatte ihn noch nie gesehen, und wusste auch nicht, warum der Hund wohl bellte. Warum bellten überhaupt Hunde so viel? Vielleicht wollten sie die Sonne auf sich aufmerksam machen und wieder hervorlocken aus ihrem Himmelstor...

Der Feigenbaum jedenfalls wollte das auch versuchen. Er versuchte, alle seine Zweige zu dem bisschen Sonne zu strecken und sie zum Bleiben zu überreden, denn ganz selten, manchmal, zeigte sie ihr schönes Gesicht.
Amalie hörte den Hund auch bellen. Der Hund gehörte zum nächsten Bauernhof. Sie dachte lange nach. Plötzlich hatte sie eine Idee: Der Hund musste ihr helfen, ihr in ihrer Wintersnot helfen. Sie watschelte los. Sie watschelte dem Bellen des Hundes nach, beharrlich und ausdauernd. Bis sie plötzlich vor dem Hund stand: Weiß und zottelig war er und hieß Giorgio Lustig. Denn er war ein lustiger Hund, der in Wellen mit dem Schwanz wedelte und sogar auf seiner Schnauze Tannenzapfen balancieren konnte – das zeigte er aber nur den Kindern!
Amalie Pustekuchen stand also endlich vor Giorgio Lustig und sie hob die Flügel bittend und klagend und sah ihn mit traurigem Gesicht an. Und so stand sie und Giorgio wusste sofort, was sie brauchte, denn er war ein kluger Hund.
Er lief zu seinem Herrchen, dem Bauern. Er bellte laute und wedelte heftig mit dem Schwanz und sein Herrchen wusste, dass Giorgio ihm etwas sagen wollte. Er lief also hinter Giorgio her und sie kamen zu Amalie. Der Bauer sah die dünne Gans und sah Amalies Hunger und kehrte in sein Haus zurück, um Amalie einen Topf Körner zum Essen zu bringen. Amalie fraß sie im Nu auf. Da huschte ein Lächeln über ihr Gänsegesicht, das sie dem Bauern und dann Giorgio schenkte.

An diesem Tag begann die Freundschaft zwischen Amalie Pustekuchen und Giorgio Lustig.
Amalie konnte von nun an immer, wenn sie Hunger hatte, zu Giorgio und seinem Bauern gehen. Und wenn Giorgio einen ganz besonders lustigen Tag hatte, dann balancierte er für Amalie sogar mal einen Tannenzapfen auf der Nase, um sie aufzuheitern
Der Regenbogenfresservogel
Für meinen zukünftigen Vogelfänger Immanuel
„wie der Anblick des Bogens, der sich an einem Regentag in den Wolken zeigt. So etwa sah die Herrlichkeit Gottes aus“ (1,28).
Wenn man bedenkt, dass die Noah-Geschichte zum Teil während des babylonischen Exils aufgeschrieben worden ist und auch der Prophet Hesekiel in Babylon lebte, legt sich ein Blick in die Kultur Babyloniens nahe. Hier hat der Regenbogen als biblisches Symbol seinen Ursprung. In der bekannten babylonischen Schöpfungsgeschichte Enuma elisch („Als oben…“) wird davon erzählt, dass der Schöpfergott Marduk das Leben auf der Erde ermöglichte, indem er die Urflut, die Göttin Tiamat, tötete. Dieser Kampf geschah mit einem Bogen (Ee IV,35-40). Um das dauerhafte Bestehen der Schöpfung zu gewährleisten, nahm der höchste Gott, der Himmelsgott Anu, den Bogen Marduks und setzte ihn als „Bogenstern“ an den Himmel.
Schweden liegt an Seen
Schweden liegt an Seen. In der Mitte, im Herzen Schwedens, könnte man meinen, Schweden sei ein einziger See mit einigen kleinen Landinseln. Es gibt schrecklich große und ganz ganz kleine Seen, aber alle haben eines gemeinsam: Ihr Wasser ist blau, tiefblau, und kalt. Der Himmel über den Seen ist weit. In Schweden ist man dem Himmel näher als sonstwo, manchmal hat man das Gefühl, gleich anzustoßen am Himmel. Er ist nah und wenn die Wolken groß über den Himmel ziehen, dann kommt er einem noch näher. Wenn man die Hand ausstreckt, kann man die Wolken fast berühren. Am Rand, da wo der Himmel aufhört, da krümmt er sich ganz außerordentlich, als ob er hinunterfallen wollte, in halsbrecherischer Geschwindigkeit.
Wenn man auf einer Wolke oberhalb von Schweden sitzen würde, würde man nicht sehen, dass es in Schweden unter den riesigen Steinen, die dort überall brockenhaft herumliegen, und unter der Erde alte Räuberhöhlen gibt, die inzwischen von den Räubern allerdings verlassen sind. Es waren nicht nur böse Räuber, nein. Es gab auch gute Räuber, die raubten, um Menschen, die zu wenig hatten, etwas zu geben, um besser leben zu können.

Wenn man auf dieser Wolke oberhalb von Schweden sitzen würde, dann würde man in Schweden von oben zwischen den vielen blauen Klecksen des Seewassers auf den kleinen Landinseln kleine rote viereckige Pünktchen sehen. Wenn man sich nun noch weiter von der Wolke herunterbeugen würde, dann würde man sehen, dass die viereckigen Pünktchen aus Holz sind. Und dass in diese Pünktchen Menschen ein aus gehen, manchmal auch Hunde, manchmal auch, noch kleiner, geschmeidige Katzen. Die Menschen haben oft einen Hut auf. Der trennt sie von dem schwedischen Himmel. Sie haben manchmal einen Stock in der Hand, den rammen sie in die Erde. Oft wandern sie hinunter zu den blauen Seenklecksen. Im Sommer ziehen sie dann ihre Kleider aus und springen in die blauen Kleckse. Sie setzen sich manchmal auch an langgestreckte braune Leisten, das sind die Steege. Entweder, sie bleiben dann dort sitzen, oder sie halten lange dünne Stäbe mit Schnüren ins Wasser. Das sind Angeln. An den Angeln krümmen sich oft ganz kleine glitschige Würmchen, Regenwürmer. Sie sollen die Fische anlocken, die dann zubeißen und – wenn sie an den langen dünnen Stäbchen hängen – hinausgezogen werden, um später von den Menschen gegessen zu werden.

Wenn man auf dieser Wolke oberhalb von Schweden sitzen würde, dann würde man in Schweden von oben zwischen den vielen blauen Klecksen des Seewassers auf den kleinen Landinseln kleine rote viereckige Pünktchen sehen. Wenn man sich nun noch weiter von der Wolke herunterbeugen würde, dann würde man sehen, dass die viereckigen Pünktchen aus Holz sind. Und dass in diese Pünktchen Menschen ein aus gehen, manchmal auch Hunde, manchmal auch, noch kleiner, geschmeidige Katzen. Die Menschen haben oft einen Hut auf. Der trennt sie von dem schwedischen Himmel. Sie haben manchmal einen Stock in der Hand, den rammen sie in die Erde. Oft wandern sie hinunter zu den blauen Seenklecksen. Im Sommer ziehen sie dann ihre Kleider aus und springen in die blauen Kleckse. Sie setzen sich manchmal auch an langgestreckte braune Leisten, das sind die Steege. Entweder, sie bl
Über den roten Pünktchen, den grünen Landinseln und den blauen Seeklecksen schwirrt es kreuzweise hin und her. Denn in Schweden leben sehr viele Vögel. Wir können uns jetzt wieder beruhigt auf unserer Wolke zurücklehnen und gerade hinsetzen, den die Vögel sehen wir auch so. Sie fliegen ja auch ganz nah an unserer Wolke vorbei, manchmal fliegen sie sogar durch die Wolke hindurch. Dass sie hier, auf unserer Wolke, Pause machen, ist eher selten, denn dazu ist es ihnen hier oben, so nah am Himmel, zu kalt.
Wir werden uns nun eines von diesen kleinen roten viereckigen Pünktchen genauer ansehen. Dazu müssen wir uns auf unserer Wolke wieder weiter nach vorne beugen. Aber Vorsicht, dass wir nicht auf die Erde purzeln! Also: Das rote Pünktchen steht auf einer grünen Landinsel, die die Form eines Regenwurms hat. Von allen Seiten ist der Regenwurm von einem tiefblauen See ungeben. Vorne, wo das Gesicht des Regenwurms ist, da sieht es weiß aus. Wir schauen ganz genau hin: Das sind große weiße Steine, riesige Kiesel, Findlinge,flach und vom Wasser gewaschen. Auf ihnen huschen einige Eidechsen hin und her, denn die Steine sind gerade warm von der Sonne.
eiben dann dort sitzen, oder sie halten lange dünne Stäbe mit Schnüren ins Wasser. Das sind Angeln. An den Angeln krümmen sich oft ganz kleine glitschige Würmchen, Regenwürmer. Sie sollen die Fische anlocken, die dann zubeißen und – wenn sie an den langen dünnen Stäbchen hängen – hinausgezogen werden, um später von den Menschen gegessen zu werden.

Wir sehen auch einen kleinen Jungen, der hinter den Eidechsen herläuft, und ab und zu über die Steine stolpert, weil er sie fangen will. Der Junge hat eine rote Jacke an, die Hose rutscht ihm ab und zu über den Po, weil sie nicht fest genug sitzt, und er hat leuchtende blonde Haare, wie ein Weizenfeld. Kräftig sind diese Haare und störrisch. Er möchte die Eidechsen gerne in seinem Laden verkaufen, den er ab und zu an der Straße zum nächsten Dorf aufbaut, mit einem Tisch und Stühlen, denn ab und zu kommen dort Leute vorbei. Allerdings hat er noch keine einzige Eidechse gefangen. Wenn er nicht gerade Eidechsen fängt, dann hilft er seinem Papa beim Angeln. Das kann er gut. Er ist geduldig und weiß immer etwas zum Spielen, bis wieder ein Fisch an der Angel zappelt. Am liebsten sind ihm die kleinen Barsche, weil sie so hübsche Streifen haben. Einmal hat er einen Barsch gestreichelt, es fühlte sich sehr glitschig an. Er mochte den Barsch. Und hat ihn heimlich wieder in den See geworfen, ohne es seinem Papa zu verraten. Aber eigentlich macht der Junge das nicht, weil er so gerne am Abend die frisch gefangenen Fische grillt.
Jetzt wenden wir den Blick aber weg von dem Jungen, denn über ihm, in der Luft, da geht es lustig zu: Da fliegen zwei kleine Vögelchen eng aneinander und schreiben Saltos in die Luft. Das scheint ihnen ein sehr großes Vergnügen zu bereiten! Sie zwitschern dabei ganz fröhlich und aufgeregt und können gar nicht genug bekommen.
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